Stofftaschentücher (?!) für Low-Waste-Schniefnasen (!!)

Ein Stapel selbst genähter Stofftaschentücher in einer Schublade
Das war mal ein Bettlaken – also nicht ganz, sondern Teile davon. Dank umfassender Fehlkalkulation besitze ich erst mal ausreichend Stofftaschentücher in variablen Größen.

Minimalismus und bewusster Konsum haben für mich natürlich auch was mit Müllvermeidung zu tun. Von Low Waste Living bin ich zwar leider weit entfernt, aber in einzelnen Bereichen arbeite ich ambitioniert daran, meinen Fußabdruck von Bigfoot auf Nachwuchsschutzkraft zu verringern. Vor allem in Bezug auf Plastik- und Verpackungsmüll, aber eigentlich jegliche Form von unnötiger Verschwendung. Und als ambitionierte Ganzjahres-Schniefnase hat  mich vor allem mein Taschentuchverbrauch gestört.

Mehrweg statt Einweg – auch um die Nase

Theoretisch sollen Papiertaschentücher ja vor allem deshalb so hygienisch sein, weil wir diese nur einmal zum Schnäuzen verwenden und dann postwendend entsorgen. Was wir natürlich alle immer genau so machen … oder? Kann es vielleicht sein, dass wir alle immer mal wieder Waschmalheure mit weißen Fusselchen a.k.a. “hab ich also doch vergessen, die Hosentaschen auszumisten” erleben oder Taschentücher aus dem Jahre Schnee in Jacken, Hosen und Taschen finden? Oder bin nur ich so eine Saubärin?

Auf jeden Fall ist klar, dass die meisten von uns ihre eigentlich als Einwegprodukt gedachten Taschentücher wiederholt verwenden, die benutzten Taschentücher in all ihrer potentiellen Keimschleudergewalt in Taschen, Rucksäcken und Hosensäcken rumfliegen und das Hygieneargument somit großteils nichtig ist.

Was zugleich auch für die guten alten Stofftaschentücher spricht. Denn das gleiche Taschentuch den halben Tag zu verwenden, geht auch nachhaltiger. Eben in Baumwolle (oder ähnlichem) statt Zellulose. Der Keimstatus bleibt der gleiche, die Umweltbilanz ist aber vergleichsweise erfreulicher. Und der nachhaltige Rotzbehelf muss auch nicht gefühlt alle drei Tage nachgekauft bzw. entsorgt werden. Eine Win-Win-Situation, wie geneigte Boomer und/oder Kapitalismushörige gerne sagen.

Drei Stofftaschentücher in verschiedenen Größen
50+ Stofftaschentücher vernähen war DIE Gelegenheit, bunte Fäden zu verbrauchen, die ich sonst nie benutze 🙂

Stofftaschentücher wie zu Großmutterns Zeiten …

Da ich große Teile meiner Kindheit bei meinen Großeltern verbracht habe, waren für mich Stofftaschentücher bis in die Pubertät hinein Alltag. Irgendwann mal fühlte ich mich den kleinen Marienkäferchen und Blümchen auf diversen Tüchern dann aber doch entwachsen, und nach dem Tod meines Großvaters – dem letzten innerfamiliären Verfechter der Herrenlaken für Nase und Hosentasche – stieg auch meine Oma endgültig auf Tempos & Co. um. “Weniger Aufwand”, vor allem für eine Haushaltsperfektionistin, die Tennissocken, Unterhosen und Handtücher bügelt.

Seit meiner Kindheit sind nun auch schon einige Jahr(zehnt)e ins Land gezogen, und meine Kindertaschentücher haben inzwischen verwandtschaftliche Rundreisen durchs Pinzgau und Wien gedreht. Die Erinnerung bleibt, auch daran, dass damals niemand – auch nicht eine Sauberkeitsfanatin wie meine Oma – Stofftaschentücher als unhygienisch bezeichnet hätte. In die Hand rotzen und anschließend in die Kleidung schmieren wie im Mittelalter – pfui. Schön ordentlich ins Stofftuch gerotzt und anschließend gefaltet und ab in die Tasche – gerne.

Auf Dauer nachhaltig

Auf der einen Seite ein Produkt, das für den einmaligen Gebrauch gemacht ist und sich nicht recyclen lässt, auf der anderen Seite eines, das nach dem einmaligen Produktions- und Lieferprozess über Jahre hinweg genutzt werden kann – da sollten doch die Zahlen ebenso eindeutig sein, oder? Sarah von minimalwaste.de hat das in zwei Blogposts zur Ökobilanz von Stofftaschentüchern sowie zu den Rohstoffen, Transportwegen und Poduktion von Taschentüchern umfassend und detailliert aufgeschlüsselt (vielen Dank dafür an dieser Stelle!). Soviel sei gesagt: Trotz höherem Produktionsaufwand schneiden Stofftaschentücher vor allem in Bezug auf die Langzeitnutzung besser ab.

Auch das deutsche Umweltbundesamt hält fest, dass die Herstellung von Hygieniepapier – wozu auch Taschentücher zählen – die Umwelt stark belastet. Die Verwendung von Recyclingpapier kann hier helfen, das eigentliche Problem der Einmalnutzung löst das freilich auch nicht. Wer sich noch nicht wirklich mit Stofftaschentüchern anfreunden kann, aber sich trotzdem nachhaltiger die Nase putzen will, kann das mit Recycling-Taschentüchern, die das Siegel des Blauen Engels tragen, tun. Das ist dann schon mal ein schöner erster Schritt. Und für manche vielleicht der beste Kompromiss 🙂

Noch nachhaltiger wird’s selbstgemacht oder Second-Hand

Eine gute Möglichkeit, sich an das Thema ranzutasten, ist  ausprobieren und/oder selbermachen. Das geht etwa mit ‘selbstgebastelten’ Stofftaschentüchern aus alten Hemden, Bettlaken oder ähnlichen Baumwollmaterialien. Bei mir musste ein altes Bettlaken dran glauben, mit dem Aufschneiden und Vernähen war ich dann – auch dank meiner Fehleinschätzung die Maße und Schnitte betreffend – einige Tage beschäftigt. ‘Formschön’ mag tatsächlich was anderes sein, aber meine neuen Stoffschnäuzer erfüllen definitiv ihren Zweck und ich bin sehr zufrieden mit meiner Umstellung. Einmal mit einem engen Zickzackstich vernäht, haben die Taschentücher zwar ordentlich Charakter, der Funktionalität tut dies aber keinen Abbruch.

Nahaufnahme der Naehte von DIY taschentuechern
Eine meisterhafte Schneiderin werde ich in diesem Leben nicht mehr. Aber wir müssen uns das Leben auch nicht künstlich schwer machen – das sind Taschentücher und kein Hochzeitskleid/-anzug, hier geht’s um Funktionalität.

Auch auf Ebay, Willhaben und diversen anderen Plattformen, am Flohmarkt oder in Second-Hand-Läden könnt ihr nach schönen alten Stofftaschentüchern Ausschau halten. Einmal gründlich gewaschen und schon sind sie fertig für viele weitere Jahre treue Dienste. Vielleicht gibt’s für einige auch familiäre Schätze zu entdecken – irgendwo im Keller verstecken sich noch ein paar alte Herrenlaken meines Opas, die werde ich irgendwann auch noch bergen. Inzwischen tun es die ambitioniert-dilettantisch vernähten Lakenquadrate 🙂

Shia von wastelandrebel.com gibt in einem Post einige wichtige und gute Tipps zu Stofftaschentüchern und weist auch einmal mehr auf jenes Argument hin, dass so gerne für Einwegtaschentücher genannt wird: Hygiene. Wer das Taschentuch nicht regelmäßig wechselt (oder eben entsorgt …), schnieft so oder so unhygieniesch – das ist es dann auch egal, in welches Material wir uns schnäuzen. Das regelmäßige Wechseln des Taschentuchs und eine hygienische Verstauung der gebrauchten Tücher, wenn wir unterwegs sind – etwa in einem kleinen Beutel im Rucksack oder der Handtasche – und schon gibt es keinen Hygienenachteil mehr bei Stofftaschentüchern. Dafür erinnert der Duft eines Stofftaschentuchs immer an frische Wäsche und mich so auch immer ein wenig an Zuhause. Und dieses wonnige Gefühl gibt’s mit keinem Einwegtaschentuch …

Danke fürs Vorbeischauen, alles Gute und bis bald! 🙂