Nun ist es bereits März 2021 und ich habe es verabsäumt, mein Low-Buy-Abenteuer 2020 auch auf in der deutschen Version nochmal Revue passieren zu lassen – shame on me. Mein letztes deutschsprachiges Update stammt vom Sommer 2020 und ist damit schon mehr als eine Weile her. Da gilt es einiges aufzuholen. Denn mein Leben nach dem Low Buy war shoppingmäßig etwas instabil. Aber dazu später mehr.
Das zweite Halbjahr (fast) ohne Shopping
Nachdem die ersten sechs Monate meines Low Buys recht in Ordnung verlaufen waren – kleinere Ausrutscher inklusive – war meine Wunschlist im Sommer dann schon recht umfangreich. Mit “umfangreich” sind eineinhalb Seiten in meinem Din A5-Bulletjournal gemeint, was immer noch überschaubar war. Aber eben doch ein bisschen mehr als noch im Februar. Hinzu kam der Eindruck, dass ich mit meiner Shoppingverweigerung quasi gegen das Wohl der Gesellschaft arbeite, nachdem wir doch bitte alle nach den Lockdowns möglichst regional und umfangreich die heimische Wirtschaft im Kampf gegen Amazon & Co. stärken sollten.
Ich wollte helfen, unterstützen, was machen. Ich wollte aber deshalb noch lange nicht wie in vergangenen Zeiten shoppen bis zum Umfallen. Ein Kompromiss ergab sich dann im August, als ich aufgrund eines amtlichen Prozesses ohnehin mehr Geld ausgeben musste und ein überraschend ausgezahlter Sparbrief (am “überraschend” merkt man, wie vorausschauend ich meine Finanzen im Blick habe) darüber hinaus sogar noch etwas mehr Geld verfügbar machte. Im Nachhinein betrachtet war das der einzige richtige Schnitzer, den ich mir das ganze Low-Buy-Jahr hinweg geleistet habe: Schuhe, Rucksack, Shirt und anderes, was nicht wirklich dringend notwendig war, aber auf jeden Fall viel Freude machte – und nach wie vor macht. Überwiegend Second Hand oder nachhaltig, fast alles regional geshoppt und wenn online dann ebenfalls so regional – sprich Österreich oder Deutschland – wie möglich. Kurz gesagt: Wenn schon ein Ausrutscher, dann ordentlich, mit Schmackes, aber trotzdem auch Mehrwert.
Shopping im neuen Jahr
Die Monate nach meinem Ausrutscher im August wurden wieder ruhiger. Nachdem ich im Oktober aus blanker Unachtsamkeit mein Buchbudget ordentlich gesprengt hatte, gab es zum karmischen Low-Buy-Ausgleich einen No-Buy-November und ich muss sagen: Fein war’s! Zur Abwechslung war einfach mal klar, dass absolut GAR NIX gekauft wird – auch (und gerade) nicht im Buchladen.
Habe ich in der Zeit ein paar Bücher entdeckt, die mir gefallen hätten? Auf jeden Fall! War es schwierig, sie nicht zu kaufen? Nö. Wunschliste sei Dank war klar, dass ich Gesehenes nicht einfach so vergessen würde, aber eben auch nicht einfach gerade so kaufe, nur weil mir spontan der Sinn danach steht und das Buchbudget noch Raum für Neuanschaffungen erlaubt. Schließlich gab es im November nicht mal ein Buchbudget …
Die Wunschliste war gegen Ende des Jahres ganz schön lange geworden – fast 2 Seiten –, allerdings mit einigen Streichungen. Überhaupt hat sich das Konzept der Wunschliste für mein Fusselhirn als absolute Goldlösung erwiesen. Denn auch wenn ich selbst im Marketing-/Werbebereich tätig bin und daher so manches Vorgehen kenne, so bin ich trotzdem anfällig für geschickt platziertes Influencing – vor allem auf Instagram und Pinterest.
Gesehen, recherchiert, Begehren geweckt und – auf die Wunschliste gesetzt, für mindestens sieben (Second Hand) bis 30 (Neuware) Tage. Es ist kaum zu glauben, wie schnell manches wieder völlig vergessen wird, wenn wir es NICHT sofort kaufen, sondern den Wunsch erst mal zwischenparken. Zumindest mir ging (und geht) es so. Das Konzept Wunschliste führe ich seit Jahreswechsel weiterhin fort, es hat mich schon vor einigen Impulskäufen bewahrt und mir aufgezeigt, was mir tatsächlich längerfristig im Kopf rumspukt.
(After-)Lockdown-Shopping im neuen Jahr
Ich hatte mich auf ein paar unbeschwerte regionale Einkaufstouren gefreut, doch die aktuelle Situation hat nicht zu vorsichtigem Neujahrsshopping, sondern direkt in den nächsten Lockdown geführt – vom 26.12.2020 bis zum 8.2.2021. Und ich war ziemlich gefrustet. Da lag nun meine Wunschliste bereit, ich hatte mir ein ungefähres Budget gesetzt, für das ich mir ein paar schöne neue Dinge erlauben würde und dann – nüscht. Oder eben doch wieder online. Nur bewusster.
Was mich ehrlich überrascht hat: Shopping macht bei weitem nicht mehr so viel Spaß, online schon überhaupt nicht. Der Gedanke, etwas zu bestellen, nur um dann mehr als die Hälfte wieder zurückzuschicken, scheint mir mittlerweile furchtbar idiotisch. Und extrem umständlich. In der jetzigen Situation mit all den völlig überlasteten Paketbot*innen bedeutet das nämlich im Schnitt mindestens zwei Ausflüge zur nächsten Post, im übelsten Fall Schlangestehen und Zeit vergeuden und das alles dafür, dass beim Onlinekauf immer gewisse Unsicherheiten bestehen? No friggin’ way! Wenn online, dann mit Bedacht – klar kann ich in der Größe immer mal danebenliegen, aber bevor ich mir selbst auf den Nerv gehe mit (Re)Touren zur Post, messe ich lieber dreimal öfters nach, recherchiere – und kaufe im Zweifelsfall lieber nicht. Bei Second Hand geht das auch gar nicht anders, denn Kleiderkreisel, willhaben und Co. nehmen keine Waren zurück. Deshalb bin ich es in diesem Kontext ohnehin gewöhnt, nur Dinge zu kaufen, die ich auch ohne Probleme selbst umschneidern und anpassen kann.
Es ist schon wieder zu viel …
Anfang Februar war die Bundesregierung schließlich gnädig und ließ die Geschäfte wieder öffnen. Ob das ein pandemietechnisch kluger Schachzug war, kann man sicher diskutieren – ich bin Literaturwissenschaftlerin und keine Virologin, kann das fachlich also nur schwer beurteilen (Stichwort: Im Nachhinein sind wir ohnehin immer klüger).
Der allgemeinen gesellschaftlichen Stimmung und dem ominösen sozialen Frieden hat es aber sicher nicht geschadet, dass die Leute zur Abwechslung mal wieder das Gefühl von etwas Freiheit – und sei es “nur” einkaufen – haben durften. Von den wichtigen Einnahmen gerade für kleine Unternehmen mal ganz abgesehen. Aber jenseits aller moralischer und gesellschaftsphilosophischer Aspekte habe auch ich die neue Freiheit genutzt, mein Shoppingbudget regional in Umlauf zu bringen. Und das sogar ganz ordentlich.
So ordentlich, dass es mir dann sogar wieder etwas zu viel wurde. Nun, einige Wochen später, bin ich mir nicht mehr so sicher, ob es wirklich noch mein altes Emotional-Impulsive-Shopping-Problem war, oder es vielleicht viel eher mit einem unbewussten Druck, nur ja alles auszunutzen, bevor die Geschäfte wieder schließen, zu tun hatte. Diese Unsicherheit, dieses mal auf, mal zu, bringt eine generell Verunsicherung, die zwar Jammern auf hohem Niveau darstellt – schließlich gibt es triftige Gründe für die verschiedenen Maßnahmen –, aber eben trotzdem ein wenig Anspannung und Nervosität mit sich bringt.
Wer nicht online kaufen möchte, braucht Geduld oder muss vorausschauend shoppen – kann beides manchmal schwierig sein. Und ist, wie schon gesagt, ein absolutes Luxusproblem. Long Story short: Ich habe gut zwei Wochen ganz ordentlich geshoppt, weil ich immer das Gefühl hatte, die Situation könnte sich jeden Moment wieder ändern und ich habe wieder irgendwas verpasst. Klassisches FOMO. In welchem Zusammenhang ist mir nicht ganz klar, aber das ist wohl auch Teil des Phänomens.
Nach zwei Wochen war ich dann aber auch nervlich wieder durch mit all dem Wahnsinn. Unter Menschen bin ich ja ohnehin nicht gerne, und diese Menschenscheu hat sich durch Lockdowns noch verschärft. Als ADHS-INTJ-Persönlichkeit mit Hang zur Einsiedelei hatte und habe ich mit Appellen rund um Social Distancing wenig Probleme. Das ist bei mir quasi Normalzustand, sofern möglich. Regelmäßig unter Menschen zu gehen, um zu shoppen oder im Freien einen Kaffee zu trinken, war mir dann auf Dauer zu viel. Ich war überfordert, gestresst und genervt. Rundum also reif für das nächste Low-Buy-Projekt, diesmal ein kurzes Intermezzo zur zwischenzeitigen Erholung.
Ab ins nächste Low Buy
Seit 22. Februar bin ich also mal wieder in einem Low Buy. Diesmal bis zum 12. April, genau die sieben Wochen also, die ich zwischen Neujahr und After-Lockdown-Shoppingwahn ohne jegliche Auflagen verbracht habe. Das Buchbudget ist immer noch bei € 50 und bereits aufgebraucht, es wird vielleicht auch ein wenig ausgedehnt. Das ist schon ok. Ansonsten bin ich angenehm fern von jeglicher Shoppping-Reizüberflutung. Ich führe leidenschaftliche Wunschlisten und weiß mittlerweile, das gut die Hälfte in den nächsten Wochen und Monaten wieder gestrichen wird. Aber da muss es mir richtig schlecht gehen, damit ich das mache. Ansonsten bin ich aktuell einfach nur beruflich und akademisch gestresst und froh, dass Shopping keine Option ist. Und ich auch gar kein großes Verlangen danach habe.
Ein paar Wochen habe ich noch. Bis dahin genieße ich meine ganz persönliche Ruhe, fernab von vollen Zentren, Downtowns und Shops, in denen von Social Distancing teils nicht viel zu merken ist. Und mache beruflich Stimmung für einen Konsum, dem ich mich selbst nicht nur zu entziehen versuche, sondern den ich auch sehr kritisch sehe. Aber dieses Dilemma ist eine andere Geschichte …
Alles Gute euch, bleibt tapfer, bis zum nächsten Mal! 🙂