Mein erstes Halbjahr im Low Buy Modus ist geschafft und ich dachte, es wäre nicht schlecht, mal ein wenig zu reflektieren und zu überlegen, was mir das ganze bis jetzt gebracht hat – außer ein hübscheres Sparkonto 🙂
Bewusster Konsum. Ich kaufe nichts?
Die Intentionen hinter dem Plan, für eine gewisse Zeit nichts oder nur sehr wenig zu kaufen, waren bei mir weniger parktischer, als vielmehr mental-psychischer Natur. Ich habe mich angesichts eines Jobs, der mir einen gewissen finanziellen Spieraum bietet – wobei ich generell sparsam lebe und mein “Spielraum” vielen anderen eher lächerlich erscheinen mag – und verschiedenen Belastungen, die ein Leben nun mal so mit sich bringen kann, in die wohligen Wonnen des gedankenlosen Konsums geflüchtet. Ein unerfreuliches Vorkommnis im familiären Umfeld mit entsprechenden Konsequenzen hat sein übriges dazu getan, dass Kleiderkreisel, willhaben und Zalando meine neuen Wohlfühlzonen wurden. Mit den entsprechenden Resultaten, die sich glücklicherweise weniger finanziell (dank Secondhand- und Sale-Shopping), dafür aber umso mehr im Ausmaß an Paketen und Rücksendungen gezeigt haben. Wie der Held meines Herzens so treffend meinte: “Wir leben in einer Paketzentrale.”
Shopping als Therapie, das wollte ich nicht mehr. Nachdem schrittweise Reduzierung nicht wirklich Ergebnisse brachte, kam der klare Einschnitt und seit etwas mehr als sechs Monaten kaufe ich nun nur mehr unter Auflagen, mit gutem Grund und so wenig wie möglich. Keine Impulskäufe, kein Wohlfühlshopping, keine sinnlose Verschwendung von Zeit, Energie, Resourcen und Geld. Kein Ignorieren fragwürdiger Produktionsumstände mehr.
Potentielle Käufe, die ich mit Blick auf meine Low-Buy-Regeln nicht rechtfertigen kann, kommen auf eine Wunschliste oder geraten nach ein paar Tagen in Vergessenheit. Schließlich wissen wir doch alle insgeheim, dass wir in unserem westlichen Konsumparadies kaum noch etwas “wirklich ganz ganz dringend brauchen”. Und einfach nur “haben wollen” ist dieses Jahr nicht drin – zumindest nicht, wenn es nach den Regeln geht (die ich aber leider auch schon gebrochen habe).
Habe ich Fehler gemacht in den letzten sechs Monaten? Ja. Mein Traveler’s Notebook, das sich zwar mittlerweile bewährt und den Erwerb sozusagen gerechtfertigt hat, trotzdem aber wahrlich nicht lebenswichtig gewesen wäre – so ehrlich muss ich dann schon sein. Überzogene Buchbudgets in den Monaten Juni und Juli – einstellige Summen, aber trotzdem. Mein “Ich kaufe nichts”-Vorsatz läuft also nicht immer ganz nach Plan, aber abgesehen von diesen Ausreißern erfreulich gut.
Was brauche ich wirklich? Fast nichts.
Eine Frage, die wir uns selten stellen. Lifestyle, Werbung, Marketing, Social Media und TV schaffen Illusionen und Bedürfnisse, die keine sind. Das wissen viele von uns, und trotzdem können wir uns nicht ganz entziehen. Wenn es aber plötzlich nicht mehr erlaubt ist, dann wird’s richtig spannend.
Natürlich sehe ich immer wieder Dinge, die mir gefallen und die ich auch gerne hätte. Die ich mir dann im Internet oder auf Instagram genauer ansehe. Und auf meine Wunschliste setzen möchte. Meistens vergesse ich diese Dinge nach spätestens zwei Tagen. Wenn nicht, dann schaffen sie es tatsächlich auf die Wunschliste und ich kann mich in ein paar Monaten nochmal damit auseinandersetzen, ob ich diese Sachen wirklich will. Von “brauchen” kann im Normalfall keine Rede sein …
Meine Wunschliste ist bisher übrigens sehr überschaubar – viele Dinge, die ich gesehen und mir gewünscht habe, haben es also nicht mal bis auf die Liste geschafft, so unwichtig waren sie mir schon kurze Zeit später. Vor einem Jahr habe ich mich noch in diverse Wünsche verbissen, sofort auf Kleiderkreisel und Co. danach gesucht und schwupps, schon waren sie da. Wäre ich damals meinen ersten Impulsen nicht gefolgt, hätte ich viele dieser Dinge wahrscheinlich auch schon kurze Zeit später wieder vergessen. Das ist mir in den letzten Monaten klar geworden, und ich hoffe, dass ich mir dieses Wissen erhalten und auch nach meinem Low Buy Jahr weiter umsetzen kann – egal, wie meine emotionalen Befindlichkeiten stehen.
Womit ablenken? Nicht mit einkaufen.
Am Anfang meines Low-Buy-Jahres war ich voller Optimismus, dass ich all die Zeit, die ich auf Secondhand-Plattformen und Shopping-Apps auf der Suche nach dem nächsten irrelevanten Stück vergeudet habe, nun ausschließlich sinnvoll nutzen werde. Ja klar. Selten so gelacht.
Natürlich habe ich tatsächlich auch wieder angefangen, Dinge zu machen, die ich als sinnvoller denn Shoppen empfinde: Ich bin mit meiner Dissertation auf einem guten Weg, ich lese wieder viel mehr, ich mache mehr Sport, meditiere (nach Bedarf), und beschäftige mich mit Dingen, die mir mehr Spaß machen als (online)shoppen. In letzter Zeit habe ich auch wieder etwas mehr genäht und so den Wunsch nach etwas Neuem im Schrank erfüllt – auch sehr schön (also die Tätigkeit, das Ergebnis entspricht dieser Einschätzung nicht unbedingt immer).
Aber das alleine füllt meine Zeit nicht komplett aus, da will ich mir nichts vormachen. Instagram und Pinterest gehören ebenso zu meinem Zeitvertreib, was ich jetzt nicht unbeding als “sinnvoll” bezeichnen würde. Seit Covid-19 seine Kreise zieht, verbringe ich zudem mehr Zeit als nötig mit Nachrichten aus aller Welt, und meine gehobene Frustration motiviert zu teils stundenlagen Suchen nach neuen Lebensentwürfen – alles zusammen irgendwie natürlich sinnvoll, aber im Gesamtausmaß dann doch auch fragwürdig. Und definitiv nicht gut für die Laune …
Sinnlose Ablenkung ist also weiterhin Thema und an manchen Tagen mehr, als mir lieb ist. Ich versuche, das bewusst im Rahmen zu halten, manchmal gebe ich der Lust auf schöne Bilder, interessante Buchtipps, nachhaltige News, Nähanleitungen und positiven Sprüchen aber auch einfach nach. Schließlich geht’s nicht um Perfektion, sondern darum, zu Konsum und Dingen ein gesundes Verhältnis zu entwickeln und dabei ganz nebenher auch noch Geld zu sparen. Und da kann ich auch mal entspannt auf Instagram und Pinterest unterwegs sein, selbst wenn das insgesamt wenig Mehrwert haben mag.
Wie geht’s weiter?
“Nicht-Shoppen” ist mittlerweile so selbstverständlich, dass ich fast schon genervt bin, wenn ich mal jemanden auf einer Shoppingtour begleiten soll. Ich war unglaublich dankbar, dass ich mich nicht durch die Massen quälen musste, die sich in die Corona-Sales gestürzt haben. Soviel zum Umdenken durch die Coronakrise … Mein Low-Buy-Jahr kommt also zu einem interessanten Zeitpunkt.
Selbstnähen bzw. der Umstand, dass ich erstmal darüber nachdenke, wie ich etwas selbst machen könnte, wenn es mir gefällt, ist mittlerweile ebenfalls normal – auch wenn ich weniger nähe, als ich mir vorgestellt hätte. Das zeigt vielleicht auch einfach nur, wie wenig Neues ich tatsächlich “brauche” 🙂
Es geht also weiter wie bisher. Mit mehr Konsequenz beim Buchbudget und der Weiterführung meines Sparkurses. Und es macht hoffentlich weiterhin so viel Spaß – auch wenn es manchmal gar nicht so einfach ist …
Bis zum nächsten Mal, macht es gut und passt auf euch auf!